Das einzig Permanente ist der Wandel
Diesen Satz lese ich häufig, wenn hier auf LinkedIn ein Kontakt den Arbeitsplatz wechselt. Viel seltener lese ich ihn, wenn es um die Entwicklung von Unternehmen und Branchen geht. Dabei wäre es, gerade in der aktuellen Situation, in der sich die deutsche Wirtschaft befindet, wichtig, diesen Satz über die Eingangstüren vieler Unternehmen zu schreiben. Heute geht es erst gegen Ende um unser eigentliches Thema „KMU und Marketing“, vorab ein wenig Geschichte.
„Früher war alles besser!“, oder, wenn ich mit meinen Kids über den Nutzen von Mobilgeräten diskutiere, „Früher war nicht alles besser, es war nur anders als heute.“
Verbesserung entsteht bekanntlich durch Optimierung vorhandener Prozesse und was ist das bitte anderes als permanenter Wandel? Eben, weshalb jammert dann derzeit die Hälfte der Wirtschaft? Wollen die sich nicht verbessern? Ist Wandel also doch nicht der Motor?
Schalten wir mal ins Jahr 1993 und betrachten wir meine Branche: Design, Marketing & Werbung. Vom Internet hatten nur wenige gehört und nur noch wenige meiner Kolleginnen und Kollegen glaubten an den Erfolg des neuen Mediums. In den Büros hielten die ersten Macintosh-Computer Einzug und die Digitalisierung setze ein und an, die Hälfte der Unternehmen innerhalb von fünf Jahren aus dem Business zu nehmen. So verschwanden Repro-Anstalten, Setzereien, Lithografen, Belichtungsstudios und die halbe Druckvorstufe sang- und klanglos mehr oder weniger über Nacht. Haben Sie damals in der BILD oder im Spiegel gelesen, dass mehr als 100.000 Arbeitsplätze in wenigen Jahren verschwanden? Ich nicht.
Die Automobil-Industrie freute sich in dieser Zeit über zahlreiche neue Arbeitsplätze, weil die Fahrzeuge insgesamt hochwertiger werden und damit auch die Umsätze steigen. An Transformation dachte niemand.
Nicht einmal zehn Jahre später, im Jahr 2000 befanden wir uns alle auf dem Höhepunkt der New Economy, die Älteren erinnern sich. Print war mittlerweile tot, das Internet regierte und wer nicht schnell genug mit der Entwicklung von Webseiten begonnen hatte, war eigentlich bereits weg vom Fenster. Die Jahrtausendwende markierte den Höhepunkt eines Rausches, der dank schier unerschöpflicher Investorengelder nicht enden wollte. Knapp elf Monate später war das Geld der meisten Start-ups weg und der Kater groß. Wer in diesem Moment allein auf das Internet gesetzt hatte, war innerhalb eines Vierteljahres weg vom Markt. Wieder einmal galt es, sich möglichst schnell an die Gegebenheiten eines Marktes anzupassen, der gerade implodiert war.
Die Automobil-Industrie feierte derweil Umsatzrekorde und dachte noch Jahre nicht über Transformation nach.
Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2008 und wieder einmal wird unsere Branche von den Füßen auf den Kopf gestellt – es ist Finanzkrise. Aufträge werden im Minutentakt storniert und viele Agenturen müssen einen Großteil der Mitarbeitenden entlassen. Schuld haben sie daran nicht, sie sind nur die letzten in der Nahrungskette und zuerst einmal müssen die Banken gerettet werden. Den Agenturen bleibt nur wieder der Wandel, stärker in Richtung eigene Produkte, weniger reine Dienstleistung.
Die Automobil-Industrie freute sich seinerzeit über die Abwrackprämie, die als Teil des Konjunkturpaket II Arbeitsplätze retten soll. An Transformation dachte eigentlich immer noch niemand.
Sie verstehen sicherlich, worauf ich hinauswill, und ich spare mir die Jahre zwischen 2012 und heute. Jahre, die in der für Deutschland so wichtigen Automobil-Industrie von Betrugssoftware, faulen Handeln mit der Bundesregierung und Verleugnung der Elektro-Mobilität geprägt waren.
Mein Punkt ist, dass nicht nur meine Branche, sondern eine Vielzahl anderen, nicht am Verbrenner hängenden Branchen, in den vergangenen 30 Jahren einem permanenten Wettbewerb und grundlegenden Veränderungen des Marktes ausgesetzt waren. So musste der Einzelhandel schmerzlich lernen, dass man mit einem Online-Shop ganze Innenstädte leerfegen konnte. Auf dem Weg gingen hunderttausende Jobs verloren, ganze Bereiche verschwanden von heute auf morgen – und niemand, außer den Betroffenen interessierte sich dafür. Wandel oder wie am Anfang erklärt, die permanente Optimierung von Prozessen, um das eigenen Geschäftsmodell auf die Veränderungen des Marktumfeldes anzupassen, ist der Motor unsere Wirtschaft.
Nur leider sehen viele Entscheider der für unser Land wesentlichen Industrien das nicht, sondern versuchen mit allen Mitteln, den Status quo zu erhalten und verhindern damit faktisch den Fortschritt. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass Deutschland über kurz oder lang, genauer jetzt den Anschluss verpasst. Dieselben kritisieren dann die Politik für eine scheinbare De-Industrialisierung Deutschlands, was nichts anderes als das Scheitern der eigenen Veränderungsprozesse beschreibt.
Zurück zum Mittelstand und Marketing. Für die Verantwortlichen bedeutet das eben geschriebene, dass auch in ihren Bereichen der Wandel der Motor ist und damit jeder Stillstand, genauer Verzicht auf neue Kanäle oder den Einsatz von Social Media Sand im Getriebe dieses Motors ist und über kurz oder lang zum Stillstand führt. Auch wenn nicht jeder Post oder ein Video auf YouTube die Umsatzkurve hebt, stecken in allen Maßnahmen Daten für eine Optimierung und damit einer möglichen Verbesserung.